Vom 02. bis 19. September 2010 reisten sieben Mitglieder der Projektgruppe nach Israel. Der Anspruch an die Reise war es, die ProtagonistInnen und ihr Umfeld kennen zu lernen, erste Interviews zu führen sowie weitere Filmaufnahmen zu machen. All diese Ziele konnten im Laufe der Reise sehr zufriedenstellend umgesetzt werden. Mehr als 20 Stunden Filmmaterial, bestehend aus intensiven, umfassenden Interviews mit allen ProtagonistInnen sowie Schnittmaterial von verschiedensten Orten in Israel sprechen für sich.
Bei der Ankunft im Kibbuz wurden wir herzlich von Zvi empfangen. Nach einem kurzen Rundgang durch Ma'abarot und einigen einführenden Worten über das Leben im Kibbuz ging es zum Essen im Speisesaal. Den Speisesaal muss man sich als Dreh- und Angelpunkt eines Kibbuz vorstellen. Zweimal täglich können hier alle Kibbuz-Mitglieder zusammenkommen, um zu essen und sich auszutauschen.
Nach diesem ersten Eindruck begannen wir bereits am zweiten Tag im Kibbuz mit den Interviews. Jeweils zwei Personen aus der Projektgruppe bildeten ein Interview-Team. Diese Teams stellten in Vorgesprächen mit den zu Interviewenden sich und das Projekt vor, und erklärten unser Anliegen. Die ProtagonistInnen sollten zudem die Möglichkeit haben, ihre eigenen Erwartungen an die Situation mitteilen zu können. Im Laufe dieser Vorgespräche stellte sich heraus, dass die Betreffenden bisher recht wenig über unser Projekt wussten.
Die ersten Interviews wurden narrativ geführt und waren stark von Erzählungen der ProtagonistInnen zu ihren Lebensgeschichten geprägt. Die verschiedenen Stationen der Lebensläufe werden in den Berichten eindrucksvoll wiedergegeben: Der erste große Teil der Interviews setzt sich zusammen aus den Erfahrungen als jüdische Kinder in Deutschland, den grausamen Eindrücken des Nationalsozialismus und, sofern zutreffend, in den Jugendgruppen des Hashomer Hatzair. Dem folgen der teils sehr lange Weg nach Palästina mit der Jugend-Alija und die ersten Jahre als Jugendliche im Kibbuz. Abschließend berichteten die ProtagonistInnen von dem heutigen Leben im Kibbuz, vom Wandel der Kibbuzim im Laufe der letzten Jahrzehnte, den Konflikten und Widersprüchen der israelischen Gesellschaft sowie dem Verhältnis der Ideale einer sozialistischen Kibbuz-Bewegung zur gesellschaftlichen Realität.
Nach einer Nachbesprechung der Interviews in den jeweiligen Teams führten wir im weiteren Laufe der Reise mit jeder und jedem Interviewten ein zweites Gespräch, zu dem wir anhand eines bereits vorhandenen Fragenkatalogs konkretere Fragen entwickelten, die Besonderheiten der Biographien und im ersten Interview nur kurz behandelte Themen noch einmal aufgriffen.
Bereits im Laufe der ersten Tage entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis zu den ProtagonistInnen und weiteren Kibbuz-Mitgliedern, die fast immer positiv und interessiert auf unser Projekt reagierten. Für Einzelne war es verständlicherweise schwierig, dass wir als Deutsche in das Kibbuz kamen – 20 Jahre lang war es Deutschen vollständig untersagt, nach Ma'abarot zu kommen. Dennoch kamen nach und nach immer mehr Mitglieder des Kibbuz auf uns zu, befragten uns zu dem Projekt, und bekundeten Interesse.
Durch intensive Gespräche, und da wir die ProtagonistInnen bei der Arbeit, im Speisesaal, am Swimmingpool oder bei gemeinsamen Aktivitäten begleiteten, entwickelte sich bei uns mit der Zeit ein immer besseres Verständnis vom alltäglichen Leben im Kibbuz Ma'abarot. Die Umsetzung der kollektivistischen Grundsätze im Alltag empfanden wir ebenfalls als bemerkenswert. Zum Ende der Reise lud man uns zu einem Hochzeitsfest im Kibbuz ein, auf dem wir weitere persönliche Eindrücke sammeln konnten.
Bei all den Erfahrungen und Erlebnissen war unser Kameramann Jaska mit seiner Kamera dabei, was zu insgesamt über 20 Stunden eindrucksvoller und – unserer Meinung nach – wunderschöner Aufnahmen führte. Zwischen den Tagen im Kibbuz fuhren wir zudem zu den verschiedensten Orten Israels, zum Toten Meer, in den Negev, nach Ost- und Westjerusalem sowie nach Tel Aviv, um Szenen für den Schnitt aufzunehmen.
Die Reise war eine sehr intensive Erfahrung für uns alle. Die Erzählungen der ProtagonistInnen über ihre Kindheit im nationalsozialistischen Deutschland, ihre Flucht nach Palästina bzw. Israel, und schließlich den Aufbau des Kibbuz waren sehr eindrucksstark. Die Konfrontation mit diesen extremen Gegensätzen – der absoluten Barbarei in Deutschland einerseits, und dem Versuch eines anderen, sozialistischen Lebens im Kibbuz andererseits, war eine prägende Erfahrung für uns, und wir sind froh, dass wir die Möglichkeit hatten, all diese Einblicke zu erhalten.
Nun gilt es, das gesamte Material zu sichten und zu transkribieren, die zweite Reise und das weitere Vorgehen zu planen, und nicht zuletzt weitere Gelder für die kommenden Aufgaben zu aquirieren.
Die Gruppe Docview im Oktober 2010
Weitere Bilder der Reise finden sich in der Galerie.